Vorwort des Präsidenten

Vorwort des Präsidenten

Pietro Beritelli

Prof. Dr. Pietro Beritelli Präsident Heidiland Tourismus AG

Warum Menschen an bestimmte Orte reisen

­Seit rund fünfzehn Jahren beschäftigt mich nicht nur als Präsident einer Tourismus­organisation, sondern auch als Wissenschaftler die Frage: Lohnt sich die Image-Werbung für ein Land oder eine Region wirklich, zumal in Ländern wie der Schweiz keine noch so hohen Kosten dafür gescheut werden? Die bisherigen Antworten aus Praxis und Wissen­schaft lauteten meist entweder «man weiss es nicht, aber es wird schon etwas bringen, die anderen tun es ja auch» oder «die Studie XY / mehrere Studien haben das doch schon belegt, irgendwie». Mit der ersten Antwort sollte sich ein Praktiker, mit der zweiten ein Wissen­schaftler nicht zufrieden­geben. Gerade bei den soge­nannten «Studien» waren immer wieder entweder grobe metho­dische Fehler oder keine unmittelbaren Zusammenhänge rekon­struierbar. Ein Beispiel: Wenn ich gefragt werde, ob mir der Ort gefallen habe, wo ich gerade Ski fahre, und ich erkläre, dass ich mit grosser Wahrschein­lichkeit dorthin zurückgehen werde, weiss man immer noch nicht, was mich wirklich zu dem Ort geführt hat. Schliesslich gibt es viele andere Orte, wo ich hätte Ski fahren können.

Unterwegs mit Freunden am Berschnerfall

Unterwegs mit Freunden am Berschnerfall

Unterwegs mit Freunden am Berschnerfall

Vor vielen Jahren fiel mir die Frage zu: «Wie kommt es eigentlich, dass Menschen zu einem bestimmten Ort reisen und eben dann gerade nicht zu allen anderen Orten, die sie auch hätten besuchen können oder wollen?» Das «Wie kam es dazu, dass…?» klärt eindeutig, was wirklich ausschlaggebend für die Entscheidung war. Die Antworten aus meiner mehrjährigen Studie, die kürzlich erschienen ist, und bei der ich hunderte von Tiefen­interviews auf der ganzen Welt durchgeführt habe, deuten auf drei Hauptbereiche hin, die meist in Kombination daher­kommen.

(1) Soziale Beziehungen: Besuche bei Freunden und Verwandten, soziale Verpflichtungen wie Hochzeiten oder Beerdigungen, Einladungen durch Bekannte, Mund-zu-Mund-Werbung durch Bekannte und Verwandte, Empfehlungen durch Berater in Reisebüros, alle diese auch über soziale Medien, Kultur- und Sportveranstaltungen etc.

(2) Zweite Heimat: Jemand der Reisegruppe hat dort schon gelebt, gearbeitet, studiert, man war schon einmal dort oder in der Nähe, man hat gebundene Anlagen wie eine Ferienwohnung oder ein Boot etc.

(3) Spontan «zuschlagen», den Steinwurf wagen: Ein günstiges oder passendes Angebot buchen (online oder offline), eine bestimmte kulturelle oder historische Attraktion als persönliches Reiseziel festlegen, während der Reise auf einen weiteren Ort/Region aufmerksam werden und auf dem Weg besuchen etc.

Besonders auffällig war auch, dass die meisten Reisen nicht durch Menschen allein, sondern in kleineren oder grösseren Gruppen vorgenommen wurden, und die Reisen mehrere Orte oder Regionen, bei längeren Reisen sogar Länder, verbunden haben.

Und die Imagewerbung?

Auf meine jeweils abschlies­sende Frage, ob denn die Imagewerbung des Landes, der Region oder des Ortes eine Rolle für den Reise­entscheid gespielt habe, haben alle Befragten verneinend geantwortet. Auch wenn also Image­werbung unbewusst wahrgenommen wird, spielt sie im Vergleich zu den unmittelbaren und teils sehr persönlichen Gründen der Befragten keine Rolle für den Reiseentscheid. Reisen sind Teil des menschlichen Alltags und stellen Episoden unseres Lebens, unserer ganz eigenen Biografie dar, während Botschaften und Bilder aus der Imagewerbung von vielen anderen Kommunikations­botschaften über Orte, Regionen und Länder überlagert werden und nicht genügend stark sind, unsere Lebensentscheidungen, zu denen Mehrtagesreisen gehören, zu prägen. Gerne lade ich auch Sie dazu ein, liebe Leserinnen und Leser, sich zu fragen, wie es dazu kam, dass Sie (meist mit anderen Menschen) ganz bestimmte Orte für Ihren Urlaub aufgesucht haben. Die Studie ist hier als PDF zu finden: How do leisure travel decisions come about? – A study report

Wandern mit Weitblick am Flumserberg

Wandern mit Weitblick am Flumserberg

Das machen wir bei Heidiland Tourismus

­Was heisst das nun für Tourismus­organisationen und speziell für Heidiland Tourismus? Wir haben seit vielen Jahren auf reine Imagewerbung verzichtet. Nicht nur hätten wir damit unser Budget bei weitem verspielt, auch war uns früh bewusst, dass in der Region selbst viel zu tun ist. Die Information an die Gäste vor Ort war und ist sehr wichtig. Die Studie hat gerade bei den Tagesausflügen, die als «Kontroll­reisen» untersucht wurden, gezeigt, dass die Information durch die Tourismusorganisation immer wieder als unterstützend, in einigen Fällen als entscheidend für das Tagesprogramm genannt wurde. Auch haben wir gemerkt, dass wir mit unseren Dienstleis­tungen an die Partner deren Angebot unterstützen und indirekt verbessern können. Schliesslich kommen die Gäste auch, weil gute Angebote vorhanden und buchbar sind und weil sie während einer früheren Reise schöne Erlebnisse geniessen konnten und deshalb zurückkehren oder auch anderen weitererzählen (Mund-zu-Mund-Werbung). Die Untersuchung der Tagesreisen in der erwähnten Studie hat in Erinnerung gerufen, dass Freizeitangebote in einer Region auch für die Bevölkerung wichtig sind und deren Lebens­qualität stärken. Gerade für diese drei Anspruchsgruppen hat sich Heidiland Tourismus in den vergangenen Jahren mit Informations­leistungen, Partner-Services, Entwicklungsprojekten in der Region etc. engagiert.

Mit einer gewissen Erleichterung, aber auch mit Stolz kann ich rück­blickend sagen, dass wir die Mittel von Heidiland Tourismus an den richtigen Stellen eingesetzt und nicht wie andere Tourismus­organisa­tionen verschwendet haben. Wir haben nicht nur die Dinge richtig gemacht; noch wichtiger ist, wir haben die richtigen Dinge gemacht. Auch in Zukunft werden wir in diese Aufgaben und Projekte investieren.

Unser Wirken als Tourismusorganisation entfaltet sich in der Region selbst. Deshalb ist es uns wichtig, mit unseren Gästen, unseren Partnern, den Gemeinden und der Bevölkerung in stetem Kontakt und Austausch zu sein. Als besonderes Highlight hebe ich in diesem Vorwort das Heidiland Sommerfest hervor, wo wir erstmals diese gute Zusammenarbeit und den regen Austausch in der Region zelebriert haben. Mehr Informationen dazu finden Sie auf Netzwerkorganisation Heidiland.

Im Namen des Verwaltungsrats und des gesamten Heidiland-Teams danke ich allen unseren Partnern und der Bevölkerung in der Region für das uns entgegengebrachte Vertrauen.

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Das Tourismusjahr 2023